Kantate „Christ lag in Todesbanden“ (BWV 4). Bachs Jugendwerk an Ostern
Im Gottesdienst am Ostersonntag, 17. April 2022, um 10 Uhr wird unser Chor mit Orchester die bekannte Kantate „Christ lag in Todesbanden“ von Johann Sebastian Bach aufführen.
Dieses Werk ist so etwas wie ein Kernstück evangelischer Ostermusik: Der Text ist von Martin Luther, die Musik von Bach; und Bach hält sich bei seiner Vertonung eng an die Strophen von Luthers Lied, das bis heute im evangelischen Gesangbuch steht (EG 101).
Alle sieben Strophen werden nacheinander musikalisch umgesetzt. Am Anfang steht ein Vorspiel der Streicher, die „Sinfonia“, die in wunderbarer Weise die Stimmung des Ostermorgens darstellt, als die Frauen – noch voller Trauer – zum Grab Jesu gingen. Am Ende der Kantate steht der feierliche, selbstsichere Choral „Wir essen und leben wohl“, in dem sich die Freude des Osterfestes ausdrückt. Bachs Kantate geht in eindrücklicher Weise den Weg vom Zweifel hin zur Sicherheit des Glaubens mit.
In der Mitte der Kantate steht der quirlige Chorsatz: „Es war ein wunderlich Krieg, da Tod und Leben rungen“. Luther hat hier die alte Ostersequenz der lateinischen Kirche zitiert, die von einem „Duell“ zwischen Leben und Tod spricht („mors et vita duello conflixere“).
In der Ostergeschichte geht es nicht nur um die individuelle Rettung der Einzelperson Jesus von Nazareth, sondern darum, dass in Tod und Auferstehung eben dieser Einzelperson das Todesschicksal der gesamten Menschheit verändert wird, und am Ende das Leben siegt.
Das besondere an Luthers Lied und Bachs Kantate ist, dass nicht sofort bei der vollen Auferstehungsfreude eingesetzt wird, sondern noch in der Trauer (Sinfonia) und beim toten Christus, der noch in Leichentücher („Todesbanden“) gewickelt im Grab liegt. Luther spielt beim Wort „Todesbanden“ mit dessen Doppelbedeutung: Banden sind einerseits die „Binden“, in die der Leichnam gebunden ist; „Banden“ sind andererseits im übertragenen Sinne alle Fesseln, die menschliches Leben eingrenzen und beengen. – Beides hat Jesus gesprengt: Seine eigenen Leichenbinden und damit alles, was das Leben einschließt. In einem anderen bekannten Lied (EG 66) singen wir „Jesus ist kommen, nun springen die Bande, Stricke des Todes, die reißen entzwei.“ Der Verfasser dieses Liedes, Ludwig Konrad Allendorf, hatte Luthers Osterchoral genauso im Hinterkopf wie Paul Gerhardt, der uns bis heute singen lässt (EG 11): „Ich lag in schweren Banden, du kommst und machst mich los; ich stand in Spott und Schanden, du kommst und machst mich groß“.
Von „Banden“ zur Freiheit, vom Spott zur Ehre, vom Tod zum Leben, von der Traurigkeit zur Freude: Sie sind eingeladen, diesen Weg im Ostergottesdienst mitzugehen: Luthers Text und Bachs Musik nehmen uns dabei mitreißend an die Hand!