Eigentlich, liebe Gemeinde, geht es am Sonntag Kantate um die Musik. Eigentlich geht es um das Singen. Das Singen der von uns Christenmenschen, das Singen der christlichen Gemeinde, das Singen im Gottesdienst. Bis orat, qui cantat, hieß das bei unseren Vorfahren im Glauben, wer singt, betet gleich zweimal. Aber heute fragen wir uns ja wahrscheinlich alle weniger danach, was Musik in unserem Leben und hier im Gottesdienst bedeutet. Nein, wir fragen uns vermutlich doch alle, ob wir hier vielleicht doch am falschen Ort sind. Spielt die Musik nicht gerade an einem ganz anderen Ort? An einem Ort, an dem die Kolonaden Berninis, wie der neue Papst in seiner ersten Ansprache nach seiner Wahl sagte, die weit geöffneten Arme der Kirche symbolisieren. Und wir sitzen jetzt hinter den Mauern dieser wilhelminischen Kirche – Leo XIV. kann übrigens, wie man schon mehrfach hören konnte, wunderbar singen. Wird das sicher auch gerade tun. Spielt also die Musik heute Vormittag anderswo? Und singen die Christenmenschen auf dem Platz mit den weit ausgebreiteten Armen vielleicht aus tausenden Kehlen viel lauter als wir hier mit ein paar Stimmen weniger? Bin ich vielleicht am falschen Ort, da, wo die Musik nicht spielt oder jedenfalls nicht so laut, nicht so schön? Das, liebe Gemeinde ist die Frage des heutigen Sonntags, nicht nur in dieser Kirche, nicht nur in dieser Stadt.

Die Frage, ob wir am falschen Ort sind, da, wo die Musik nicht spielt, wird uns zunächst einmal heute durch den Predigttext gestellt, den biblischen Text, über den überall heute in deutschen evangelischen Kirchen gepredigt wird. Denn es ist ein Text aus dem falschesten Ort aller falschen Orte, aus dem Gefängnis. Ich lese aus dem sechzehnten Kapitel der Apostelgeschichte die Verse 23 bis 34. Die Geschichte erzählt vom Schicksal des Apostels Paulus und seines Mitarbeiters Silas in der nordgriechischen Stadt Philippi auf der zweiten großen Missionsreise.

23Nachdem man sie (also Paulus und Silas) hart geschlagen hatte, warf man sie ins Gefängnis und befahl dem Kerkermeister, sie gut zu bewachen. 24Als er diesen Befehl empfangen hatte, warf er sie in das innerste Gefängnis und legte ihre Füße in den Block.

25Um Mitternacht aber beteten Paulus und Silas und lobten Gott. Und es hörten sie die Gefangenen. 26Plötzlich aber geschah ein großes Erdbeben, sodass die Grundmauern des Gefängnisses wankten. Und sogleich öffneten sich alle Türen und von allen fielen die Fesseln ab. 27Als aber der Kerkermeister aus dem Schlaf auffuhr und sah die Türen des Gefängnisses offen stehen, zog er das Schwert und wollte sich selbst töten; denn er meinte, die Gefangenen wären entflohen. 28Paulus aber rief laut: Tu dir nichts an; denn wir sind alle hier! 29Der aber forderte ein Licht und stürzte hinein und fiel zitternd Paulus und Silas zu Füßen. 30Und er führte sie heraus und sprach: Ihr Herren, was muss ich tun, dass ich gerettet werde? 31Sie sprachen: Glaube an den Herrn Jesus, so wirst du und dein Haus selig! 32Und sie sagten ihm das Wort des Herrn und allen, die in seinem Hause waren. 33Und er nahm sie zu sich in derselben Stunde der Nacht und wusch ihnen die Striemen. Und er ließ sich und alle die Seinen sogleich taufen 34und führte sie in sein Haus und bereitete ihnen den Tisch und freute sich mit seinem ganzen Hause, dass er zum Glauben an Gott gekommen war.

Nicht wahr, liebe Gemeinde, das ist uns allen gleich aufgefallen: In dieser ungemein plastischen Erzählung aus der Apostelgeschichte des Lukas sind ständig Menschen an den falschen Orten. Paulus und Silas kommen nach Philippi, wollen dort von Jesus von Nazareth als dem Christus Gottes sprechen und haben viele Erfolge. Dadurch verliert eine offenbar ziemlich beliebte heidnische Frau, die angeblich Menschen die Zukunft vorhersagen kann, alle Attraktivität und das erregt so viel Zorn bei denen, die bisher Geld mit dieser Form von Magie gemacht haben, dass Paulus und Silas auf deren Anstiftung von einer grossen Menschenmenge auf den Marktplatz vor die Stadtrichter geschleppt werden:

Als diese Herren aber sahen, dass damit ihre Hoffnung auf Gewinn ausgefahren war, ergriffen sie Paulus und Silas, schleppten sie auf den Markt vor die Oberen 20und führten sie den Stadtrichtern vor und sprachen: Diese Menschen bringen unsre Stadt in Aufruhr; sie sind Juden 21und verkünden Sitten, die wir weder annehmen noch einhalten dürfen, weil wir Römer sind. 22Und das Volk wandte sich gegen sie; und die Stadtrichter ließen ihnen die Kleider herunterreißen und befahlen, sie mit Stöcken zu schlagen.

Plötzlich wird der Ort Philippi, „eine Stadt des ersten Bezirks von Makedonien, eine römische Kolonie“, wie es bei Lukas heißt, ein falscher Ort. Eben noch fruchtbarer Ackerboden für die christliche Mission, für die Weiterverbreitung des christlichen Glaubens, der auch dem neuen Papst so wichtig ist – und plötzlich stört der übergroße Erfolg der Christen nachhaltig den wirtschaftlichen Gewinn der Heiden und sofort reagieren diese Menschen. Mission ist für die, die missionieren, immer gefährlich, aber besonders, wenn sie mit geschäftsschädigendem Verhalten einhergeht. Da zerrt man die christlichen Missionare Paulus und Silas mal eben vor den städtischen Kadi. Und plötzlich sind sie nicht mehr am richtigen, sondern am falschen Ort. Die Musik erfolgreicher christlicher Mission spielt irgendwo anders. Aber nicht mehr in Philippi.

Aber es kommt ja noch ärger. Nackt auf dem Marktplatz ausgezogen, mit Stöcken geschlagen und ins Gefängnis geworfen, in den falschesten Ort aller falschen Orte. Als Schüler haben wir im Rahmen des Religionsunterrichts einmal die Jugendhaftanstalt Berlin-Plötzensee besucht, in der es gewiss viel humaner zuging und zugeht als in einem römischen Gefängnis. Wir saßen mit Gefangenen im Stuhlkreis im Büro der evangelischen Gefängnispfarrerin – und mir ist bis heute ganz schauerlich in Erinnerung die Hoffnungslosigkeit der Insassen, die damals wenig älter als ich waren. Da gab es Häftlinge, die wollten nach der Entlassung eine Haschfarm in Marokko gründen – ausgerechnet in Marokko. Und da war doch selbst mir als Berliner Schüler mit wenig Erfahrung klar, dass diese Planungen einen geradewegs aus dem Gefängnis wieder ins Gefängnis bringen würden, aus dem einigermaßen humanen deutschen in ein sicher sehr viel strengeres nordafrikanisches Gefängnis. Es gibt, liebe Gemeinde, Menschen, die schaffen es niemals fort von den falschen Orten, an die sie, manchmal ohne jede eigene Schuld, manchmal aufgrund eigener Schuld gekommen sind. Diese Menschen sind und bleiben immer am falschen Ort. Hoffnungslos. Trostlos. Ein Gefängnis im realen Sinne, ein Gefängnis aber auch als Metapher mit unüberwindlichen Mauern, dicken, eng gesetzten Stäben. Der falscheste der falschen Orte.

Aber urplötzlich – und das, liebe Gemeinde, ist die erste Pointe unseres Textes, wird der falscheste aller falschen Orte zum besten Ort, an dem man sein kann. Der Ort, an dem man Erfahrungen mit Gott machen kann. Erfahrungen, die alle Türen öffnen, die bisher verschlossen und vernagelt waren. Paulus und Silas sind im innersten Teil des Gefängnisses, im Hochsicherheitstrakt des Gefängnisses von Philippi, ihre Füße sind in einem Holzblock auf dem Erdboden fixiert (wie noch bei den Gestapo-Häftlingen des deutschen Widerstands 1944 und 1945). Aber sie beten und loben Gott. Sie singen. Man kann, liebe Gemeinde, auch am falschesten aller falschen Orte noch Gott loben und singen. Und manchmal, so sagt unsere Geschichte, kommt der Gott, von dem wir singen und zu dem wir beten, mitten in das Gefängnis und alle Türen öffnen sich.

Unser Predigttext aus der Apostelgeschichte erzählt das Wunder, dass sich die Türen tatsächlich öffnen – aber wir kennen natürlich auch, liebe Gemeinde, Geschichten, in denen sich die Türen eher metaphorisch öffnen. Von Dietrich Bonhoeffer wissen wir, dass sich für ihn vor achtzig Jahren die Tore des Konzentrationslagers Flossenbürg nicht mehr geöffnet haben. Aber vor seiner Hinrichtung betete er, innig versunken, wie ein Zeuge berichtete, und soll gesagt haben, als man ihn abführte: „Das ist das Ende – für mich der Beginn des Lebens“. Auch wenn wir dieses Wunder aus dem Frühjahr 1945 vielleicht nie begreifen werden: Da hat jemand das definitive Ende seines irdischen Lebens als offene Tür empfunden zum neuen Leben bei Gott. Wer so stirbt, der stirbt wohl. Und da wurde wieder ein Gefängnis, ein besonders schreckliches Gefängnis, der falscheste aller falschen Orte, zum richtigen Ort. Wir wissen nicht, ob Bonhoeffer in Flossenbürg gesungen hat. Aber er hat kurz vor dem Abtransport dorthin seinen Mitgefangenen eine Andacht gehalten und da haben sie Osterchoräle gesungen, auswendig natürlich, gab ja keine Gesangbücher. Und wieder wurde aus dem falschen der genau richtige Ort.

Wenn wir genau hinsehen auf unseren so packend erzählten Predigttext, liebe Gemeinde, wird deutlich, dass wir noch nicht ganz am Ende sind. Es gibt in der Geschichte aus dem Hochsicherheitstrakt des Gefängnisses im nordgriechischen Philippi nicht nur Paulus und seinen Mitarbeiter Silas, der an anderen Stellen der Bibel auch Silvanus heißt. Da gibt es noch den Gefängnisdirektor. Den Kerkermeister. Vermutlich ein pflichtbewusster Beamter, immer darum besorgt, alles richtig zu machen. Und für den wird nun plötzlich der Ort, an dem alles richtig war, zum falschen Ort.

27Als aber der Kerkermeister aus dem Schlaf auffuhr und sah die Türen des Gefängnisses offen stehen, zog er das Schwert und wollte sich selbst töten; denn er meinte, die Gefangenen wären entflohen. 28Paulus aber rief laut: Tu dir nichts an; denn wir sind alle hier! 29Der aber forderte ein Licht und stürzte hinein und fiel zitternd Paulus und Silas zu Füßen. 30Und er führte sie heraus und sprach: Ihr Herren, was muss ich tun, dass ich gerettet werde? 31Sie sprachen: Glaube an den Herrn Jesus, so wirst du und dein Haus selig! 32Und sie sagten ihm das Wort des Herrn und allen, die in seinem Hause waren. 33Und er nahm sie zu sich in derselben Stunde der Nacht und wusch ihnen die Striemen. Und er ließ sich und alle die Seinen sogleich taufen 34und führte sie in sein Haus und bereitete ihnen den Tisch und freute sich mit seinem ganzen Hause, dass er zum Glauben an Gott gekommen war.

Und das, liebe Gemeinde, ist in meinen Augen die fast noch schönere, die zweite, die wertvollste Pointe der Geschichte. Nur allzu oft wird für uns etwas zum richtigen Ort – auf Kosten anderer Menschen. Wir richten uns prächtig ein und plötzlich empfinden nun die anderen den Ort als falschen Ort. Was dem einen richtig erscheint, ist dem anderen falsch. Lukas will uns mit seiner Erzählung, dem Predigttext aus der Apostelgeschichte, deutlich machen: Gott will, dass die Welt für alle Menschen ein richtiger Ort ist und kein falscher. Paulus und Silas retten das Leben des Kerkermeisters. Sie retten nicht nur ihr eigenes Leben. Nein, sie retten auch noch das Leben des Finsterlings, der sie im Gefängnis gehalten und ihre Füße in den Block gelegt hat.

Sie retten das Leben des Kerkermeisters sogar in doppelter Hinsicht: Der Gefängnisdirektor wird aber nicht nur von der Selbsttötung abgehalten, nein, er findet das wahre Leben der Christenmenschen und lebt hinfort als Christ. Er wäscht seinen einstigen Gefangenen die blutigen Striemen der Schläge vom Marktplatz und der Blockfessel aus der Zelle, verbindet ihre Wunden und isst mit ihnen gemeinsam. Vor dem Essen wird noch rasch getauft, so dass wir im Grunde am Schluss noch einen schönen Ausblick auf das festliche Abendessen nach der Taufe haben. Und ganz bestimmt, liebe Gemeinde, haben die Menschen a in Philippi alle gesungen: Bei der Taufe, beim Versorgen der Striemen und Wunden, beim Taufgottesdienst – irgend so etwas, wie wir heute auch: Ich bin getauft auf deinen Namen, Gott, Vater, Sohn und heiliger Geist, natürlich griechisch, damals in Philippi. Und beim Essen haben die natürlich auch gesungen. Das Tischgebet. Aller Augen warten auf dich Herre. Im Schützsatz. Vierstimmig. Oder so ähnlich.

Gott verwandelt die falschen Orte, an denen die Musik nicht oder jedenfalls nicht so schön und nicht so kräftig spielt, in genau die richtigen Orte. Und eines der Zaubermittel, durch die er die falschen in die richtigen Orte verwandelt, ist die Musik. Ist der Gesang. Es muss nicht immer der Thomanerchor sein. Oder die sixtinische Kapelle. Manchmal reicht auch einfach ein schönes Lied, wie wir das hier gemeinsam singen. Und gleich wieder singen werden.

Sind wir am falschen Ort? Ganz sicher nicht. Dafür, dass Gott dem neuen Bischof von Rom ein Licht aufgehen lässt, seines Geistes Kraft schenkt, durch den neuen Papst der Kirche dieser Stadt, der Ökumene, der ganzen Christenheit, dem Weltfrieden reichen Segen schenkt, könnten wir auch im Kämmerlein beten. Dazu müssen wir nicht drüben auf dem Petersplatz stehen. Da ist die Christuskirche gerade der richtige Ort. Nachher bei den Fürbitten in dieser wunderschönen Kirche. Und wir singen dazu. Nochmals: Also, liebe Gemeinde, sind wir ganz gewiss am richtigen Ort heute hier. Da, wo die Musik spielt. Amen.

 Eigentlich, liebe Gemeinde, geht es am Sonntag Kantate um die Musik. Eigentlich geht es um das Singen. Das Singen der von uns Christenmenschen, das Singen der christlichen Gemeinde, das Singen im Gottesdienst. Bis orat, qui cantat, hieß das bei unseren Vorfahren im Glauben, wer singt, betet gleich zweimal. Aber heute fragen wir uns ja wahrscheinlich alle weniger danach, was Musik in unserem Leben und hier im Gottesdienst bedeutet. Nein, wir fragen uns vermutlich doch alle, ob wir hier vielleicht doch am falschen Ort sind. Spielt die Musik nicht gerade an einem ganz anderen Ort? An einem Ort, an dem die Kolonaden Berninis, wie der neue Papst in seiner ersten Ansprache nach seiner Wahl sagte, die weit geöffneten Arme der Kirche symbolisieren. Und wir sitzen jetzt hinter den Mauern dieser wilhelminischen Kirche – Leo XIV. kann übrigens, wie man schon mehrfach hören konnte, wunderbar singen. Wird das sicher auch gerade tun. Spielt also die Musik heute Vormittag anderswo? Und singen die Christenmenschen auf dem Platz mit den weit ausgebreiteten Armen vielleicht aus tausenden Kehlen viel lauter als wir hier mit ein paar Stimmen weniger? Bin ich vielleicht am falschen Ort, da, wo die Musik nicht spielt oder jedenfalls nicht so laut, nicht so schön? Das, liebe Gemeinde ist die Frage des heutigen Sonntags, nicht nur in dieser Kirche, nicht nur in dieser Stadt.

Die Frage, ob wir am falschen Ort sind, da, wo die Musik nicht spielt, wird uns zunächst einmal heute durch den Predigttext gestellt, den biblischen Text, über den überall heute in deutschen evangelischen Kirchen gepredigt wird. Denn es ist ein Text aus dem falschesten Ort aller falschen Orte, aus dem Gefängnis. Ich lese aus dem sechzehnten Kapitel der Apostelgeschichte die Verse 23 bis 34. Die Geschichte erzählt vom Schicksal des Apostels Paulus und seines Mitarbeiters Silas in der nordgriechischen Stadt Philippi auf der zweiten großen Missionsreise.

23Nachdem man sie (also Paulus und Silas) hart geschlagen hatte, warf man sie ins Gefängnis und befahl dem Kerkermeister, sie gut zu bewachen. 24Als er diesen Befehl empfangen hatte, warf er sie in das innerste Gefängnis und legte ihre Füße in den Block.

25Um Mitternacht aber beteten Paulus und Silas und lobten Gott. Und es hörten sie die Gefangenen. 26Plötzlich aber geschah ein großes Erdbeben, sodass die Grundmauern des Gefängnisses wankten. Und sogleich öffneten sich alle Türen und von allen fielen die Fesseln ab. 27Als aber der Kerkermeister aus dem Schlaf auffuhr und sah die Türen des Gefängnisses offen stehen, zog er das Schwert und wollte sich selbst töten; denn er meinte, die Gefangenen wären entflohen. 28Paulus aber rief laut: Tu dir nichts an; denn wir sind alle hier! 29Der aber forderte ein Licht und stürzte hinein und fiel zitternd Paulus und Silas zu Füßen. 30Und er führte sie heraus und sprach: Ihr Herren, was muss ich tun, dass ich gerettet werde? 31Sie sprachen: Glaube an den Herrn Jesus, so wirst du und dein Haus selig! 32Und sie sagten ihm das Wort des Herrn und allen, die in seinem Hause waren. 33Und er nahm sie zu sich in derselben Stunde der Nacht und wusch ihnen die Striemen. Und er ließ sich und alle die Seinen sogleich taufen 34und führte sie in sein Haus und bereitete ihnen den Tisch und freute sich mit seinem ganzen Hause, dass er zum Glauben an Gott gekommen war.

Nicht wahr, liebe Gemeinde, das ist uns allen gleich aufgefallen: In dieser ungemein plastischen Erzählung aus der Apostelgeschichte des Lukas sind ständig Menschen an den falschen Orten. Paulus und Silas kommen nach Philippi, wollen dort von Jesus von Nazareth als dem Christus Gottes sprechen und haben viele Erfolge. Dadurch verliert eine offenbar ziemlich beliebte heidnische Frau, die angeblich Menschen die Zukunft vorhersagen kann, alle Attraktivität und das erregt so viel Zorn bei denen, die bisher Geld mit dieser Form von Magie gemacht haben, dass Paulus und Silas auf deren Anstiftung von einer grossen Menschenmenge auf den Marktplatz vor die Stadtrichter geschleppt werden:

Als diese Herren aber sahen, dass damit ihre Hoffnung auf Gewinn ausgefahren war, ergriffen sie Paulus und Silas, schleppten sie auf den Markt vor die Oberen 20und führten sie den Stadtrichtern vor und sprachen: Diese Menschen bringen unsre Stadt in Aufruhr; sie sind Juden 21und verkünden Sitten, die wir weder annehmen noch einhalten dürfen, weil wir Römer sind. 22Und das Volk wandte sich gegen sie; und die Stadtrichter ließen ihnen die Kleider herunterreißen und befahlen, sie mit Stöcken zu schlagen.

Plötzlich wird der Ort Philippi, „eine Stadt des ersten Bezirks von Makedonien, eine römische Kolonie“, wie es bei Lukas heißt, ein falscher Ort. Eben noch fruchtbarer Ackerboden für die christliche Mission, für die Weiterverbreitung des christlichen Glaubens, der auch dem neuen Papst so wichtig ist – und plötzlich stört der übergroße Erfolg der Christen nachhaltig den wirtschaftlichen Gewinn der Heiden und sofort reagieren diese Menschen. Mission ist für die, die missionieren, immer gefährlich, aber besonders, wenn sie mit geschäftsschädigendem Verhalten einhergeht. Da zerrt man die christlichen Missionare Paulus und Silas mal eben vor den städtischen Kadi. Und plötzlich sind sie nicht mehr am richtigen, sondern am falschen Ort. Die Musik erfolgreicher christlicher Mission spielt irgendwo anders. Aber nicht mehr in Philippi.

Aber es kommt ja noch ärger. Nackt auf dem Marktplatz ausgezogen, mit Stöcken geschlagen und ins Gefängnis geworfen, in den falschesten Ort aller falschen Orte. Als Schüler haben wir im Rahmen des Religionsunterrichts einmal die Jugendhaftanstalt Berlin-Plötzensee besucht, in der es gewiss viel humaner zuging und zugeht als in einem römischen Gefängnis. Wir saßen mit Gefangenen im Stuhlkreis im Büro der evangelischen Gefängnispfarrerin – und mir ist bis heute ganz schauerlich in Erinnerung die Hoffnungslosigkeit der Insassen, die damals wenig älter als ich waren. Da gab es Häftlinge, die wollten nach der Entlassung eine Haschfarm in Marokko gründen – ausgerechnet in Marokko. Und da war doch selbst mir als Berliner Schüler mit wenig Erfahrung klar, dass diese Planungen einen geradewegs aus dem Gefängnis wieder ins Gefängnis bringen würden, aus dem einigermaßen humanen deutschen in ein sicher sehr viel strengeres nordafrikanisches Gefängnis. Es gibt, liebe Gemeinde, Menschen, die schaffen es niemals fort von den falschen Orten, an die sie, manchmal ohne jede eigene Schuld, manchmal aufgrund eigener Schuld gekommen sind. Diese Menschen sind und bleiben immer am falschen Ort. Hoffnungslos. Trostlos. Ein Gefängnis im realen Sinne, ein Gefängnis aber auch als Metapher mit unüberwindlichen Mauern, dicken, eng gesetzten Stäben. Der falscheste der falschen Orte.

Aber urplötzlich – und das, liebe Gemeinde, ist die erste Pointe unseres Textes, wird der falscheste aller falschen Orte zum besten Ort, an dem man sein kann. Der Ort, an dem man Erfahrungen mit Gott machen kann. Erfahrungen, die alle Türen öffnen, die bisher verschlossen und vernagelt waren. Paulus und Silas sind im innersten Teil des Gefängnisses, im Hochsicherheitstrakt des Gefängnisses von Philippi, ihre Füße sind in einem Holzblock auf dem Erdboden fixiert (wie noch bei den Gestapo-Häftlingen des deutschen Widerstands 1944 und 1945). Aber sie beten und loben Gott. Sie singen. Man kann, liebe Gemeinde, auch am falschesten aller falschen Orte noch Gott loben und singen. Und manchmal, so sagt unsere Geschichte, kommt der Gott, von dem wir singen und zu dem wir beten, mitten in das Gefängnis und alle Türen öffnen sich.

Unser Predigttext aus der Apostelgeschichte erzählt das Wunder, dass sich die Türen tatsächlich öffnen – aber wir kennen natürlich auch, liebe Gemeinde, Geschichten, in denen sich die Türen eher metaphorisch öffnen. Von Dietrich Bonhoeffer wissen wir, dass sich für ihn vor achtzig Jahren die Tore des Konzentrationslagers Flossenbürg nicht mehr geöffnet haben. Aber vor seiner Hinrichtung betete er, innig versunken, wie ein Zeuge berichtete, und soll gesagt haben, als man ihn abführte: „Das ist das Ende – für mich der Beginn des Lebens“. Auch wenn wir dieses Wunder aus dem Frühjahr 1945 vielleicht nie begreifen werden: Da hat jemand das definitive Ende seines irdischen Lebens als offene Tür empfunden zum neuen Leben bei Gott. Wer so stirbt, der stirbt wohl. Und da wurde wieder ein Gefängnis, ein besonders schreckliches Gefängnis, der falscheste aller falschen Orte, zum richtigen Ort. Wir wissen nicht, ob Bonhoeffer in Flossenbürg gesungen hat. Aber er hat kurz vor dem Abtransport dorthin seinen Mitgefangenen eine Andacht gehalten und da haben sie Osterchoräle gesungen, auswendig natürlich, gab ja keine Gesangbücher. Und wieder wurde aus dem falschen der genau richtige Ort.

Wenn wir genau hinsehen auf unseren so packend erzählten Predigttext, liebe Gemeinde, wird deutlich, dass wir noch nicht ganz am Ende sind. Es gibt in der Geschichte aus dem Hochsicherheitstrakt des Gefängnisses im nordgriechischen Philippi nicht nur Paulus und seinen Mitarbeiter Silas, der an anderen Stellen der Bibel auch Silvanus heißt. Da gibt es noch den Gefängnisdirektor. Den Kerkermeister. Vermutlich ein pflichtbewusster Beamter, immer darum besorgt, alles richtig zu machen. Und für den wird nun plötzlich der Ort, an dem alles richtig war, zum falschen Ort.

27Als aber der Kerkermeister aus dem Schlaf auffuhr und sah die Türen des Gefängnisses offen stehen, zog er das Schwert und wollte sich selbst töten; denn er meinte, die Gefangenen wären entflohen. 28Paulus aber rief laut: Tu dir nichts an; denn wir sind alle hier! 29Der aber forderte ein Licht und stürzte hinein und fiel zitternd Paulus und Silas zu Füßen. 30Und er führte sie heraus und sprach: Ihr Herren, was muss ich tun, dass ich gerettet werde? 31Sie sprachen: Glaube an den Herrn Jesus, so wirst du und dein Haus selig! 32Und sie sagten ihm das Wort des Herrn und allen, die in seinem Hause waren. 33Und er nahm sie zu sich in derselben Stunde der Nacht und wusch ihnen die Striemen. Und er ließ sich und alle die Seinen sogleich taufen 34und führte sie in sein Haus und bereitete ihnen den Tisch und freute sich mit seinem ganzen Hause, dass er zum Glauben an Gott gekommen war.

Und das, liebe Gemeinde, ist in meinen Augen die fast noch schönere, die zweite, die wertvollste Pointe der Geschichte. Nur allzu oft wird für uns etwas zum richtigen Ort – auf Kosten anderer Menschen. Wir richten uns prächtig ein und plötzlich empfinden nun die anderen den Ort als falschen Ort. Was dem einen richtig erscheint, ist dem anderen falsch. Lukas will uns mit seiner Erzählung, dem Predigttext aus der Apostelgeschichte, deutlich machen: Gott will, dass die Welt für alle Menschen ein richtiger Ort ist und kein falscher. Paulus und Silas retten das Leben des Kerkermeisters. Sie retten nicht nur ihr eigenes Leben. Nein, sie retten auch noch das Leben des Finsterlings, der sie im Gefängnis gehalten und ihre Füße in den Block gelegt hat.

Sie retten das Leben des Kerkermeisters sogar in doppelter Hinsicht: Der Gefängnisdirektor wird aber nicht nur von der Selbsttötung abgehalten, nein, er findet das wahre Leben der Christenmenschen und lebt hinfort als Christ. Er wäscht seinen einstigen Gefangenen die blutigen Striemen der Schläge vom Marktplatz und der Blockfessel aus der Zelle, verbindet ihre Wunden und isst mit ihnen gemeinsam. Vor dem Essen wird noch rasch getauft, so dass wir im Grunde am Schluss noch einen schönen Ausblick auf das festliche Abendessen nach der Taufe haben. Und ganz bestimmt, liebe Gemeinde, haben die Menschen a in Philippi alle gesungen: Bei der Taufe, beim Versorgen der Striemen und Wunden, beim Taufgottesdienst – irgend so etwas, wie wir heute auch: Ich bin getauft auf deinen Namen, Gott, Vater, Sohn und heiliger Geist, natürlich griechisch, damals in Philippi. Und beim Essen haben die natürlich auch gesungen. Das Tischgebet. Aller Augen warten auf dich Herre. Im Schützsatz. Vierstimmig. Oder so ähnlich.

Gott verwandelt die falschen Orte, an denen die Musik nicht oder jedenfalls nicht so schön und nicht so kräftig spielt, in genau die richtigen Orte. Und eines der Zaubermittel, durch die er die falschen in die richtigen Orte verwandelt, ist die Musik. Ist der Gesang. Es muss nicht immer der Thomanerchor sein. Oder die sixtinische Kapelle. Manchmal reicht auch einfach ein schönes Lied, wie wir das hier gemeinsam singen. Und gleich wieder singen werden.

Sind wir am falschen Ort? Ganz sicher nicht. Dafür, dass Gott dem neuen Bischof von Rom ein Licht aufgehen lässt, seines Geistes Kraft schenkt, durch den neuen Papst der Kirche dieser Stadt, der Ökumene, der ganzen Christenheit, dem Weltfrieden reichen Segen schenkt, könnten wir auch im Kämmerlein beten. Dazu müssen wir nicht drüben auf dem Petersplatz stehen. Da ist die Christuskirche gerade der richtige Ort. Nachher bei den Fürbitten in dieser wunderschönen Kirche. Und wir singen dazu. Nochmals: Also, liebe Gemeinde, sind wir ganz gewiss am richtigen Ort heute hier. Da, wo die Musik spielt. Amen.

Eigentlich, liebe Gemeinde, geht es am Sonntag Kantate um die Musik. Eigentlich geht es um das Singen. Das Singen der von uns Christenmenschen, das Singen der christlichen Gemeinde, das Singen im Gottesdienst. Bis orat, qui cantat, hieß das bei unseren Vorfahren im Glauben, wer singt, betet gleich zweimal. Aber heute fragen wir uns ja wahrscheinlich alle weniger danach, was Musik in unserem Leben und hier im Gottesdienst bedeutet. Nein, wir fragen uns vermutlich doch alle, ob wir hier vielleicht doch am falschen Ort sind. Spielt die Musik nicht gerade an einem ganz anderen Ort? An einem Ort, an dem die Kolonaden Berninis, wie der neue Papst in seiner ersten Ansprache nach seiner Wahl sagte, die weit geöffneten Arme der Kirche symbolisieren. Und wir sitzen jetzt hinter den Mauern dieser wilhelminischen Kirche – Leo XIV. kann übrigens, wie man schon mehrfach hören konnte, wunderbar singen. Wird das sicher auch gerade tun. Spielt also die Musik heute Vormittag anderswo? Und singen die Christenmenschen auf dem Platz mit den weit ausgebreiteten Armen vielleicht aus tausenden Kehlen viel lauter als wir hier mit ein paar Stimmen weniger? Bin ich vielleicht am falschen Ort, da, wo die Musik nicht spielt oder jedenfalls nicht so laut, nicht so schön? Das, liebe Gemeinde ist die Frage des heutigen Sonntags, nicht nur in dieser Kirche, nicht nur in dieser Stadt.

Die Frage, ob wir am falschen Ort sind, da, wo die Musik nicht spielt, wird uns zunächst einmal heute durch den Predigttext gestellt, den biblischen Text, über den überall heute in deutschen evangelischen Kirchen gepredigt wird. Denn es ist ein Text aus dem falschesten Ort aller falschen Orte, aus dem Gefängnis. Ich lese aus dem sechzehnten Kapitel der Apostelgeschichte die Verse 23 bis 34. Die Geschichte erzählt vom Schicksal des Apostels Paulus und seines Mitarbeiters Silas in der nordgriechischen Stadt Philippi auf der zweiten großen Missionsreise.

23Nachdem man sie (also Paulus und Silas) hart geschlagen hatte, warf man sie ins Gefängnis und befahl dem Kerkermeister, sie gut zu bewachen. 24Als er diesen Befehl empfangen hatte, warf er sie in das innerste Gefängnis und legte ihre Füße in den Block.

25Um Mitternacht aber beteten Paulus und Silas und lobten Gott. Und es hörten sie die Gefangenen. 26Plötzlich aber geschah ein großes Erdbeben, sodass die Grundmauern des Gefängnisses wankten. Und sogleich öffneten sich alle Türen und von allen fielen die Fesseln ab. 27Als aber der Kerkermeister aus dem Schlaf auffuhr und sah die Türen des Gefängnisses offen stehen, zog er das Schwert und wollte sich selbst töten; denn er meinte, die Gefangenen wären entflohen. 28Paulus aber rief laut: Tu dir nichts an; denn wir sind alle hier! 29Der aber forderte ein Licht und stürzte hinein und fiel zitternd Paulus und Silas zu Füßen. 30Und er führte sie heraus und sprach: Ihr Herren, was muss ich tun, dass ich gerettet werde? 31Sie sprachen: Glaube an den Herrn Jesus, so wirst du und dein Haus selig! 32Und sie sagten ihm das Wort des Herrn und allen, die in seinem Hause waren. 33Und er nahm sie zu sich in derselben Stunde der Nacht und wusch ihnen die Striemen. Und er ließ sich und alle die Seinen sogleich taufen 34und führte sie in sein Haus und bereitete ihnen den Tisch und freute sich mit seinem ganzen Hause, dass er zum Glauben an Gott gekommen war.

Nicht wahr, liebe Gemeinde, das ist uns allen gleich aufgefallen: In dieser ungemein plastischen Erzählung aus der Apostelgeschichte des Lukas sind ständig Menschen an den falschen Orten. Paulus und Silas kommen nach Philippi, wollen dort von Jesus von Nazareth als dem Christus Gottes sprechen und haben viele Erfolge. Dadurch verliert eine offenbar ziemlich beliebte heidnische Frau, die angeblich Menschen die Zukunft vorhersagen kann, alle Attraktivität und das erregt so viel Zorn bei denen, die bisher Geld mit dieser Form von Magie gemacht haben, dass Paulus und Silas auf deren Anstiftung von einer grossen Menschenmenge auf den Marktplatz vor die Stadtrichter geschleppt werden:

Als diese Herren aber sahen, dass damit ihre Hoffnung auf Gewinn ausgefahren war, ergriffen sie Paulus und Silas, schleppten sie auf den Markt vor die Oberen 20und führten sie den Stadtrichtern vor und sprachen: Diese Menschen bringen unsre Stadt in Aufruhr; sie sind Juden 21und verkünden Sitten, die wir weder annehmen noch einhalten dürfen, weil wir Römer sind. 22Und das Volk wandte sich gegen sie; und die Stadtrichter ließen ihnen die Kleider herunterreißen und befahlen, sie mit Stöcken zu schlagen.

Plötzlich wird der Ort Philippi, „eine Stadt des ersten Bezirks von Makedonien, eine römische Kolonie“, wie es bei Lukas heißt, ein falscher Ort. Eben noch fruchtbarer Ackerboden für die christliche Mission, für die Weiterverbreitung des christlichen Glaubens, der auch dem neuen Papst so wichtig ist – und plötzlich stört der übergroße Erfolg der Christen nachhaltig den wirtschaftlichen Gewinn der Heiden und sofort reagieren diese Menschen. Mission ist für die, die missionieren, immer gefährlich, aber besonders, wenn sie mit geschäftsschädigendem Verhalten einhergeht. Da zerrt man die christlichen Missionare Paulus und Silas mal eben vor den städtischen Kadi. Und plötzlich sind sie nicht mehr am richtigen, sondern am falschen Ort. Die Musik erfolgreicher christlicher Mission spielt irgendwo anders. Aber nicht mehr in Philippi.

Aber es kommt ja noch ärger. Nackt auf dem Marktplatz ausgezogen, mit Stöcken geschlagen und ins Gefängnis geworfen, in den falschesten Ort aller falschen Orte. Als Schüler haben wir im Rahmen des Religionsunterrichts einmal die Jugendhaftanstalt Berlin-Plötzensee besucht, in der es gewiss viel humaner zuging und zugeht als in einem römischen Gefängnis. Wir saßen mit Gefangenen im Stuhlkreis im Büro der evangelischen Gefängnispfarrerin – und mir ist bis heute ganz schauerlich in Erinnerung die Hoffnungslosigkeit der Insassen, die damals wenig älter als ich waren. Da gab es Häftlinge, die wollten nach der Entlassung eine Haschfarm in Marokko gründen – ausgerechnet in Marokko. Und da war doch selbst mir als Berliner Schüler mit wenig Erfahrung klar, dass diese Planungen einen geradewegs aus dem Gefängnis wieder ins Gefängnis bringen würden, aus dem einigermaßen humanen deutschen in ein sicher sehr viel strengeres nordafrikanisches Gefängnis. Es gibt, liebe Gemeinde, Menschen, die schaffen es niemals fort von den falschen Orten, an die sie, manchmal ohne jede eigene Schuld, manchmal aufgrund eigener Schuld gekommen sind. Diese Menschen sind und bleiben immer am falschen Ort. Hoffnungslos. Trostlos. Ein Gefängnis im realen Sinne, ein Gefängnis aber auch als Metapher mit unüberwindlichen Mauern, dicken, eng gesetzten Stäben. Der falscheste der falschen Orte.

Aber urplötzlich – und das, liebe Gemeinde, ist die erste Pointe unseres Textes, wird der falscheste aller falschen Orte zum besten Ort, an dem man sein kann. Der Ort, an dem man Erfahrungen mit Gott machen kann. Erfahrungen, die alle Türen öffnen, die bisher verschlossen und vernagelt waren. Paulus und Silas sind im innersten Teil des Gefängnisses, im Hochsicherheitstrakt des Gefängnisses von Philippi, ihre Füße sind in einem Holzblock auf dem Erdboden fixiert (wie noch bei den Gestapo-Häftlingen des deutschen Widerstands 1944 und 1945). Aber sie beten und loben Gott. Sie singen. Man kann, liebe Gemeinde, auch am falschesten aller falschen Orte noch Gott loben und singen. Und manchmal, so sagt unsere Geschichte, kommt der Gott, von dem wir singen und zu dem wir beten, mitten in das Gefängnis und alle Türen öffnen sich.

Unser Predigttext aus der Apostelgeschichte erzählt das Wunder, dass sich die Türen tatsächlich öffnen – aber wir kennen natürlich auch, liebe Gemeinde, Geschichten, in denen sich die Türen eher metaphorisch öffnen. Von Dietrich Bonhoeffer wissen wir, dass sich für ihn vor achtzig Jahren die Tore des Konzentrationslagers Flossenbürg nicht mehr geöffnet haben. Aber vor seiner Hinrichtung betete er, innig versunken, wie ein Zeuge berichtete, und soll gesagt haben, als man ihn abführte: „Das ist das Ende – für mich der Beginn des Lebens“. Auch wenn wir dieses Wunder aus dem Frühjahr 1945 vielleicht nie begreifen werden: Da hat jemand das definitive Ende seines irdischen Lebens als offene Tür empfunden zum neuen Leben bei Gott. Wer so stirbt, der stirbt wohl. Und da wurde wieder ein Gefängnis, ein besonders schreckliches Gefängnis, der falscheste aller falschen Orte, zum richtigen Ort. Wir wissen nicht, ob Bonhoeffer in Flossenbürg gesungen hat. Aber er hat kurz vor dem Abtransport dorthin seinen Mitgefangenen eine Andacht gehalten und da haben sie Osterchoräle gesungen, auswendig natürlich, gab ja keine Gesangbücher. Und wieder wurde aus dem falschen der genau richtige Ort.

Wenn wir genau hinsehen auf unseren so packend erzählten Predigttext, liebe Gemeinde, wird deutlich, dass wir noch nicht ganz am Ende sind. Es gibt in der Geschichte aus dem Hochsicherheitstrakt des Gefängnisses im nordgriechischen Philippi nicht nur Paulus und seinen Mitarbeiter Silas, der an anderen Stellen der Bibel auch Silvanus heißt. Da gibt es noch den Gefängnisdirektor. Den Kerkermeister. Vermutlich ein pflichtbewusster Beamter, immer darum besorgt, alles richtig zu machen. Und für den wird nun plötzlich der Ort, an dem alles richtig war, zum falschen Ort.

27Als aber der Kerkermeister aus dem Schlaf auffuhr und sah die Türen des Gefängnisses offen stehen, zog er das Schwert und wollte sich selbst töten; denn er meinte, die Gefangenen wären entflohen. 28Paulus aber rief laut: Tu dir nichts an; denn wir sind alle hier! 29Der aber forderte ein Licht und stürzte hinein und fiel zitternd Paulus und Silas zu Füßen. 30Und er führte sie heraus und sprach: Ihr Herren, was muss ich tun, dass ich gerettet werde? 31Sie sprachen: Glaube an den Herrn Jesus, so wirst du und dein Haus selig! 32Und sie sagten ihm das Wort des Herrn und allen, die in seinem Hause waren. 33Und er nahm sie zu sich in derselben Stunde der Nacht und wusch ihnen die Striemen. Und er ließ sich und alle die Seinen sogleich taufen 34und führte sie in sein Haus und bereitete ihnen den Tisch und freute sich mit seinem ganzen Hause, dass er zum Glauben an Gott gekommen war.

Und das, liebe Gemeinde, ist in meinen Augen die fast noch schönere, die zweite, die wertvollste Pointe der Geschichte. Nur allzu oft wird für uns etwas zum richtigen Ort – auf Kosten anderer Menschen. Wir richten uns prächtig ein und plötzlich empfinden nun die anderen den Ort als falschen Ort. Was dem einen richtig erscheint, ist dem anderen falsch. Lukas will uns mit seiner Erzählung, dem Predigttext aus der Apostelgeschichte, deutlich machen: Gott will, dass die Welt für alle Menschen ein richtiger Ort ist und kein falscher. Paulus und Silas retten das Leben des Kerkermeisters. Sie retten nicht nur ihr eigenes Leben. Nein, sie retten auch noch das Leben des Finsterlings, der sie im Gefängnis gehalten und ihre Füße in den Block gelegt hat.

Sie retten das Leben des Kerkermeisters sogar in doppelter Hinsicht: Der Gefängnisdirektor wird aber nicht nur von der Selbsttötung abgehalten, nein, er findet das wahre Leben der Christenmenschen und lebt hinfort als Christ. Er wäscht seinen einstigen Gefangenen die blutigen Striemen der Schläge vom Marktplatz und der Blockfessel aus der Zelle, verbindet ihre Wunden und isst mit ihnen gemeinsam. Vor dem Essen wird noch rasch getauft, so dass wir im Grunde am Schluss noch einen schönen Ausblick auf das festliche Abendessen nach der Taufe haben. Und ganz bestimmt, liebe Gemeinde, haben die Menschen a in Philippi alle gesungen: Bei der Taufe, beim Versorgen der Striemen und Wunden, beim Taufgottesdienst – irgend so etwas, wie wir heute auch: Ich bin getauft auf deinen Namen, Gott, Vater, Sohn und heiliger Geist, natürlich griechisch, damals in Philippi. Und beim Essen haben die natürlich auch gesungen. Das Tischgebet. Aller Augen warten auf dich Herre. Im Schützsatz. Vierstimmig. Oder so ähnlich.

Gott verwandelt die falschen Orte, an denen die Musik nicht oder jedenfalls nicht so schön und nicht so kräftig spielt, in genau die richtigen Orte. Und eines der Zaubermittel, durch die er die falschen in die richtigen Orte verwandelt, ist die Musik. Ist der Gesang. Es muss nicht immer der Thomanerchor sein. Oder die sixtinische Kapelle. Manchmal reicht auch einfach ein schönes Lied, wie wir das hier gemeinsam singen. Und gleich wieder singen werden.

Sind wir am falschen Ort? Ganz sicher nicht. Dafür, dass Gott dem neuen Bischof von Rom ein Licht aufgehen lässt, seines Geistes Kraft schenkt, durch den neuen Papst der Kirche dieser Stadt, der Ökumene, der ganzen Christenheit, dem Weltfrieden reichen Segen schenkt, könnten wir auch im Kämmerlein beten. Dazu müssen wir nicht drüben auf dem Petersplatz stehen. Da ist die Christuskirche gerade der richtige Ort. Nachher bei den Fürbitten in dieser wunderschönen Kirche. Und wir singen dazu. Nochmals: Also, liebe Gemeinde, sind wir ganz gewiss am richtigen Ort heute hier. Da, wo die Musik spielt. Amen.

Eigentlich, liebe Gemeinde, geht es am Sonntag Kantate um die Musik. Eigentlich geht es um das Singen. Das Singen der von uns Christenmenschen, das Singen der christlichen Gemeinde, das Singen im Gottesdienst. Bis orat, qui cantat, hieß das bei unseren Vorfahren im Glauben, wer singt, betet gleich zweimal. Aber heute fragen wir uns ja wahrscheinlich alle weniger danach, was Musik in unserem Leben und hier im Gottesdienst bedeutet. Nein, wir fragen uns vermutlich doch alle, ob wir hier vielleicht doch am falschen Ort sind. Spielt die Musik nicht gerade an einem ganz anderen Ort? An einem Ort, an dem die Kolonaden Berninis, wie der neue Papst in seiner ersten Ansprache nach seiner Wahl sagte, die weit geöffneten Arme der Kirche symbolisieren. Und wir sitzen jetzt hinter den Mauern dieser wilhelminischen Kirche – Leo XIV. kann übrigens, wie man schon mehrfach hören konnte, wunderbar singen. Wird das sicher auch gerade tun. Spielt also die Musik heute Vormittag anderswo? Und singen die Christenmenschen auf dem Platz mit den weit ausgebreiteten Armen vielleicht aus tausenden Kehlen viel lauter als wir hier mit ein paar Stimmen weniger? Bin ich vielleicht am falschen Ort, da, wo die Musik nicht spielt oder jedenfalls nicht so laut, nicht so schön? Das, liebe Gemeinde ist die Frage des heutigen Sonntags, nicht nur in dieser Kirche, nicht nur in dieser Stadt.

Die Frage, ob wir am falschen Ort sind, da, wo die Musik nicht spielt, wird uns zunächst einmal heute durch den Predigttext gestellt, den biblischen Text, über den überall heute in deutschen evangelischen Kirchen gepredigt wird. Denn es ist ein Text aus dem falschesten Ort aller falschen Orte, aus dem Gefängnis. Ich lese aus dem sechzehnten Kapitel der Apostelgeschichte die Verse 23 bis 34. Die Geschichte erzählt vom Schicksal des Apostels Paulus und seines Mitarbeiters Silas in der nordgriechischen Stadt Philippi auf der zweiten großen Missionsreise.

23Nachdem man sie (also Paulus und Silas) hart geschlagen hatte, warf man sie ins Gefängnis und befahl dem Kerkermeister, sie gut zu bewachen. 24Als er diesen Befehl empfangen hatte, warf er sie in das innerste Gefängnis und legte ihre Füße in den Block.

25Um Mitternacht aber beteten Paulus und Silas und lobten Gott. Und es hörten sie die Gefangenen. 26Plötzlich aber geschah ein großes Erdbeben, sodass die Grundmauern des Gefängnisses wankten. Und sogleich öffneten sich alle Türen und von allen fielen die Fesseln ab. 27Als aber der Kerkermeister aus dem Schlaf auffuhr und sah die Türen des Gefängnisses offen stehen, zog er das Schwert und wollte sich selbst töten; denn er meinte, die Gefangenen wären entflohen. 28Paulus aber rief laut: Tu dir nichts an; denn wir sind alle hier! 29Der aber forderte ein Licht und stürzte hinein und fiel zitternd Paulus und Silas zu Füßen. 30Und er führte sie heraus und sprach: Ihr Herren, was muss ich tun, dass ich gerettet werde? 31Sie sprachen: Glaube an den Herrn Jesus, so wirst du und dein Haus selig! 32Und sie sagten ihm das Wort des Herrn und allen, die in seinem Hause waren. 33Und er nahm sie zu sich in derselben Stunde der Nacht und wusch ihnen die Striemen. Und er ließ sich und alle die Seinen sogleich taufen 34und führte sie in sein Haus und bereitete ihnen den Tisch und freute sich mit seinem ganzen Hause, dass er zum Glauben an Gott gekommen war.

Nicht wahr, liebe Gemeinde, das ist uns allen gleich aufgefallen: In dieser ungemein plastischen Erzählung aus der Apostelgeschichte des Lukas sind ständig Menschen an den falschen Orten. Paulus und Silas kommen nach Philippi, wollen dort von Jesus von Nazareth als dem Christus Gottes sprechen und haben viele Erfolge. Dadurch verliert eine offenbar ziemlich beliebte heidnische Frau, die angeblich Menschen die Zukunft vorhersagen kann, alle Attraktivität und das erregt so viel Zorn bei denen, die bisher Geld mit dieser Form von Magie gemacht haben, dass Paulus und Silas auf deren Anstiftung von einer grossen Menschenmenge auf den Marktplatz vor die Stadtrichter geschleppt werden:

Als diese Herren aber sahen, dass damit ihre Hoffnung auf Gewinn ausgefahren war, ergriffen sie Paulus und Silas, schleppten sie auf den Markt vor die Oberen 20und führten sie den Stadtrichtern vor und sprachen: Diese Menschen bringen unsre Stadt in Aufruhr; sie sind Juden 21und verkünden Sitten, die wir weder annehmen noch einhalten dürfen, weil wir Römer sind. 22Und das Volk wandte sich gegen sie; und die Stadtrichter ließen ihnen die Kleider herunterreißen und befahlen, sie mit Stöcken zu schlagen.

Plötzlich wird der Ort Philippi, „eine Stadt des ersten Bezirks von Makedonien, eine römische Kolonie“, wie es bei Lukas heißt, ein falscher Ort. Eben noch fruchtbarer Ackerboden für die christliche Mission, für die Weiterverbreitung des christlichen Glaubens, der auch dem neuen Papst so wichtig ist – und plötzlich stört der übergroße Erfolg der Christen nachhaltig den wirtschaftlichen Gewinn der Heiden und sofort reagieren diese Menschen. Mission ist für die, die missionieren, immer gefährlich, aber besonders, wenn sie mit geschäftsschädigendem Verhalten einhergeht. Da zerrt man die christlichen Missionare Paulus und Silas mal eben vor den städtischen Kadi. Und plötzlich sind sie nicht mehr am richtigen, sondern am falschen Ort. Die Musik erfolgreicher christlicher Mission spielt irgendwo anders. Aber nicht mehr in Philippi.

Aber es kommt ja noch ärger. Nackt auf dem Marktplatz ausgezogen, mit Stöcken geschlagen und ins Gefängnis geworfen, in den falschesten Ort aller falschen Orte. Als Schüler haben wir im Rahmen des Religionsunterrichts einmal die Jugendhaftanstalt Berlin-Plötzensee besucht, in der es gewiss viel humaner zuging und zugeht als in einem römischen Gefängnis. Wir saßen mit Gefangenen im Stuhlkreis im Büro der evangelischen Gefängnispfarrerin – und mir ist bis heute ganz schauerlich in Erinnerung die Hoffnungslosigkeit der Insassen, die damals wenig älter als ich waren. Da gab es Häftlinge, die wollten nach der Entlassung eine Haschfarm in Marokko gründen – ausgerechnet in Marokko. Und da war doch selbst mir als Berliner Schüler mit wenig Erfahrung klar, dass diese Planungen einen geradewegs aus dem Gefängnis wieder ins Gefängnis bringen würden, aus dem einigermaßen humanen deutschen in ein sicher sehr viel strengeres nordafrikanisches Gefängnis. Es gibt, liebe Gemeinde, Menschen, die schaffen es niemals fort von den falschen Orten, an die sie, manchmal ohne jede eigene Schuld, manchmal aufgrund eigener Schuld gekommen sind. Diese Menschen sind und bleiben immer am falschen Ort. Hoffnungslos. Trostlos. Ein Gefängnis im realen Sinne, ein Gefängnis aber auch als Metapher mit unüberwindlichen Mauern, dicken, eng gesetzten Stäben. Der falscheste der falschen Orte.

Aber urplötzlich – und das, liebe Gemeinde, ist die erste Pointe unseres Textes, wird der falscheste aller falschen Orte zum besten Ort, an dem man sein kann. Der Ort, an dem man Erfahrungen mit Gott machen kann. Erfahrungen, die alle Türen öffnen, die bisher verschlossen und vernagelt waren. Paulus und Silas sind im innersten Teil des Gefängnisses, im Hochsicherheitstrakt des Gefängnisses von Philippi, ihre Füße sind in einem Holzblock auf dem Erdboden fixiert (wie noch bei den Gestapo-Häftlingen des deutschen Widerstands 1944 und 1945). Aber sie beten und loben Gott. Sie singen. Man kann, liebe Gemeinde, auch am falschesten aller falschen Orte noch Gott loben und singen. Und manchmal, so sagt unsere Geschichte, kommt der Gott, von dem wir singen und zu dem wir beten, mitten in das Gefängnis und alle Türen öffnen sich.

Unser Predigttext aus der Apostelgeschichte erzählt das Wunder, dass sich die Türen tatsächlich öffnen – aber wir kennen natürlich auch, liebe Gemeinde, Geschichten, in denen sich die Türen eher metaphorisch öffnen. Von Dietrich Bonhoeffer wissen wir, dass sich für ihn vor achtzig Jahren die Tore des Konzentrationslagers Flossenbürg nicht mehr geöffnet haben. Aber vor seiner Hinrichtung betete er, innig versunken, wie ein Zeuge berichtete, und soll gesagt haben, als man ihn abführte: „Das ist das Ende – für mich der Beginn des Lebens“. Auch wenn wir dieses Wunder aus dem Frühjahr 1945 vielleicht nie begreifen werden: Da hat jemand das definitive Ende seines irdischen Lebens als offene Tür empfunden zum neuen Leben bei Gott. Wer so stirbt, der stirbt wohl. Und da wurde wieder ein Gefängnis, ein besonders schreckliches Gefängnis, der falscheste aller falschen Orte, zum richtigen Ort. Wir wissen nicht, ob Bonhoeffer in Flossenbürg gesungen hat. Aber er hat kurz vor dem Abtransport dorthin seinen Mitgefangenen eine Andacht gehalten und da haben sie Osterchoräle gesungen, auswendig natürlich, gab ja keine Gesangbücher. Und wieder wurde aus dem falschen der genau richtige Ort.

Wenn wir genau hinsehen auf unseren so packend erzählten Predigttext, liebe Gemeinde, wird deutlich, dass wir noch nicht ganz am Ende sind. Es gibt in der Geschichte aus dem Hochsicherheitstrakt des Gefängnisses im nordgriechischen Philippi nicht nur Paulus und seinen Mitarbeiter Silas, der an anderen Stellen der Bibel auch Silvanus heißt. Da gibt es noch den Gefängnisdirektor. Den Kerkermeister. Vermutlich ein pflichtbewusster Beamter, immer darum besorgt, alles richtig zu machen. Und für den wird nun plötzlich der Ort, an dem alles richtig war, zum falschen Ort.

27Als aber der Kerkermeister aus dem Schlaf auffuhr und sah die Türen des Gefängnisses offen stehen, zog er das Schwert und wollte sich selbst töten; denn er meinte, die Gefangenen wären entflohen. 28Paulus aber rief laut: Tu dir nichts an; denn wir sind alle hier! 29Der aber forderte ein Licht und stürzte hinein und fiel zitternd Paulus und Silas zu Füßen. 30Und er führte sie heraus und sprach: Ihr Herren, was muss ich tun, dass ich gerettet werde? 31Sie sprachen: Glaube an den Herrn Jesus, so wirst du und dein Haus selig! 32Und sie sagten ihm das Wort des Herrn und allen, die in seinem Hause waren. 33Und er nahm sie zu sich in derselben Stunde der Nacht und wusch ihnen die Striemen. Und er ließ sich und alle die Seinen sogleich taufen 34und führte sie in sein Haus und bereitete ihnen den Tisch und freute sich mit seinem ganzen Hause, dass er zum Glauben an Gott gekommen war.

Und das, liebe Gemeinde, ist in meinen Augen die fast noch schönere, die zweite, die wertvollste Pointe der Geschichte. Nur allzu oft wird für uns etwas zum richtigen Ort – auf Kosten anderer Menschen. Wir richten uns prächtig ein und plötzlich empfinden nun die anderen den Ort als falschen Ort. Was dem einen richtig erscheint, ist dem anderen falsch. Lukas will uns mit seiner Erzählung, dem Predigttext aus der Apostelgeschichte, deutlich machen: Gott will, dass die Welt für alle Menschen ein richtiger Ort ist und kein falscher. Paulus und Silas retten das Leben des Kerkermeisters. Sie retten nicht nur ihr eigenes Leben. Nein, sie retten auch noch das Leben des Finsterlings, der sie im Gefängnis gehalten und ihre Füße in den Block gelegt hat.

Sie retten das Leben des Kerkermeisters sogar in doppelter Hinsicht: Der Gefängnisdirektor wird aber nicht nur von der Selbsttötung abgehalten, nein, er findet das wahre Leben der Christenmenschen und lebt hinfort als Christ. Er wäscht seinen einstigen Gefangenen die blutigen Striemen der Schläge vom Marktplatz und der Blockfessel aus der Zelle, verbindet ihre Wunden und isst mit ihnen gemeinsam. Vor dem Essen wird noch rasch getauft, so dass wir im Grunde am Schluss noch einen schönen Ausblick auf das festliche Abendessen nach der Taufe haben. Und ganz bestimmt, liebe Gemeinde, haben die Menschen a in Philippi alle gesungen: Bei der Taufe, beim Versorgen der Striemen und Wunden, beim Taufgottesdienst – irgend so etwas, wie wir heute auch: Ich bin getauft auf deinen Namen, Gott, Vater, Sohn und heiliger Geist, natürlich griechisch, damals in Philippi. Und beim Essen haben die natürlich auch gesungen. Das Tischgebet. Aller Augen warten auf dich Herre. Im Schützsatz. Vierstimmig. Oder so ähnlich.

Gott verwandelt die falschen Orte, an denen die Musik nicht oder jedenfalls nicht so schön und nicht so kräftig spielt, in genau die richtigen Orte. Und eines der Zaubermittel, durch die er die falschen in die richtigen Orte verwandelt, ist die Musik. Ist der Gesang. Es muss nicht immer der Thomanerchor sein. Oder die sixtinische Kapelle. Manchmal reicht auch einfach ein schönes Lied, wie wir das hier gemeinsam singen. Und gleich wieder singen werden.

Sind wir am falschen Ort? Ganz sicher nicht. Dafür, dass Gott dem neuen Bischof von Rom ein Licht aufgehen lässt, seines Geistes Kraft schenkt, durch den neuen Papst der Kirche dieser Stadt, der Ökumene, der ganzen Christenheit, dem Weltfrieden reichen Segen schenkt, könnten wir auch im Kämmerlein beten. Dazu müssen wir nicht drüben auf dem Petersplatz stehen. Da ist die Christuskirche gerade der richtige Ort. Nachher bei den Fürbitten in dieser wunderschönen Kirche. Und wir singen dazu. Nochmals: Also, liebe Gemeinde, sind wir ganz gewiss am richtigen Ort heute hier. Da, wo die Musik spielt. Amen.

Cantate – Prof. Dr.es Markschies