Die Gnade unseres Herrn Jesus Christus und die
Liebe Gottes und die Gemeinschaft des Heiligen
Geistes sei mit euch allen!
Und damit, liebe Gemeinde, sind wir auch schon
mitten im Predigttext. Vielleicht kennen Sie diese
Worte, oft als Kanzelsegen gesprochen, schon so gut,
dass sie schnell vorbeiziehen. Daher hören wir sie
gleich noch einmal und mit weiteren Versen vorweg.
Denn uns ist der Briefschluss des 2. Korintherbriefes
zur Predigt aufgetragen.
Der Apostel Paulus schreibt einer pluralen,
heterogenen Gemeinde. Konflikte, Versöhnung,
Mahnung und Trost, der Brief befasst sich mit allem,
was in so einem Melting-Pot wie Korinth passieren
kann. Fast alles war strittig: Fragen von Gottesdienst-
und Mahlgemeinschaft, um das Gottesverständnis
wurde gerungen, um Sexual- und Alltagsmoral, um
Geld, Solidarität und Liebe.
Die Gemeinde in Korinth ist gewiss so bunt wie unsere
heutige Gottesdienstgemeinde. Da gibt es junge
Studierende, die nun fast ein Jahr in dieser Stadt
gelebt haben und Menschen, die fast ihr ganzes
Leben in Rom verbracht haben. Andere sind zu
Besuch gekommen und bringen wiederum ihre ganz
eigenen Erfahrungen mit.
Und alle haben ihren Glauben dabei. Ihr Bild von Gott,
ihren Zugang zum Geheimnis der Dreifaltigkeit, das
wir heute besonders feiern. Und das ist lebendig und
hat sich gewiss über die Zeit verändert. Vielleicht auch
in dem Jahr hier. Gemeinsam hören wir noch einmal
auf den Schluss des Briefes:
Zuletzt, Brüder und Schwestern, freut euch, lasst euch
zurechtbringen, lasst euch mahnen, habt einerlei Sinn,
haltet Frieden! So wird der Gott der Liebe und des
Friedens mit euch sein. 12 Grüßt euch untereinander mit
dem heiligen Kuss. Es grüßen euch alle Heiligen. 13 Die
Gnade unseres Herrn Jesus Christus und die Liebe
Gottes und die Gemeinschaft des Heiligen Geistes sei
mit euch allen!
Zunächst viel Imperativ: Freut euch, lasst euch
zurechtbringen, mahnen, haltet Frieden. Wie ist das
möglich? Als Gemeinschaft? Als Kirche?
Als so bunter Haufen? Vielleicht schauen wir uns den
Text ja doch vom Ende her an. Halten uns an die drei
großen Worte: Gnade – Liebe – Gemeinschaft.
Gnade: Die Gnade unseres Herrn Jesus Christus. Ein
großer Begriff: Vielleicht der Inbegriff schlechthin für all
das, was uns durch Jesus Christus zuteilwird. Gnade
lässt sich nicht machen. Herbeizwingen. Und immer
dann, wenn Menschen meinten, sie könnten das, ging
es schief. Heil, Liebe und Freundschaft. Alles
unverdiente Geschenke. In diesen schillernden Farben
könnte man den Begriff Gnade deuten. All das wird
durch Jesus Christus dem glaubenden Menschen
geschenkt.
Die persönliche Zuwendung Gottes zu einem jeden
von uns. Durch Jesu Kommen in die Welt versteht er,
was uns bewegt. Weil er ganz Mensch geworden ist.
Gott als Bruder. Freund. Mehr noch, durch sein Kreuz
schenkt er sich uns und nimmt all das weg, was wir
immer neu zwischen ihn und Gott stellen. Schenkt uns
einen Raum, in dem wir neu anfangen, neu glauben
und hoffen können. Aufatmen. Nicht gnadenlos, wie
unsere Welt und der Alltag an so vielen Stellen.
Gnadenvoll. Es ist diese Gnade, dieses Zuvorkommen
Gottes, dass uns Begegnung mit Gott ermöglicht.
Diese Gnade Jesu Christi hat einen Grund: Die Liebe
Gottes, des Vaters: Die sich auf seinen Sohn bezieht
und ihm Kraft geschenkt hat, seinen Weg zu gehen.
Von ihm, Gott-Vater, hat Jesus erzählt, ihn hat er
bezeugt und so vielen Menschen den Himmel
aufgeschlossen. Diese Liebe schenkt er weiter an uns.
Die kann nicht exklusiv bleiben. Die will
weitergetragen werden. Überall dort hinein, wo Liebe
fehlt. Wo Liebe so dringend gebraucht wird. In
unseren Alltag. In Streit und Verletzung. In Krankheit,
Schuld und Tod. Die Liebe Gottes des Vaters ist
gemeinschaftsstiftende Liebe.
Gemeinschaft des Heiligen Geistes, das ist Teilhabe
an jenem Geist, den wir in der Taufe empfangen
haben. Der Verbundenheit untereinander schenkt.
Gemeinsam glauben lässt. Den anderen wahrnimmt
und wertschätzt. Der nicht alles glattbügelt. Aber in
dem die Ausrichtung klar ist. Der uns heute
zusammenführt und seine Kirche weltweit
zusammenhält. Ja, Gott ist nicht einsam. Der
dreieinige Gott ist „Gemeinschaft gegenseitigen
Andersseins“ (Eberhard Jüngel) und weil das so ist,
können auch wir, die vielen, mit unterschiedlichem
religiösen Hintergrund und unterschiedlichen Wege,
die uns heute zusammengeführt haben, gemeinsam
glauben.
13 Die Gnade unseres Herrn Jesus Christus und die
Liebe Gottes und die Gemeinschaft des Heiligen
Geistes sei mit euch allen!
Ja, wenn wir Gnade, Liebe und Gemeinschaft unter
uns haben und immer neu leben, dann klappt es auch
mit den Imperativen, die vorangingen. Erst die Gabe
ermöglicht die Aufgabe: Freut euch, lasst euch
zurechtbringen, lasst euch mahnen, habt einerlei Sinn,
haltet Frieden! Wer den dreifaltigen Gott mit sich weiß,
der kann für stabile Verhältnisse der Gemeinde
sorgen, der sieht sich in die Weite gestellt, in der dann
alle Heiligen grüßen, denn Kirche existiert nicht nur
heute Morgen hier und jetzt, sondern Zeit und Raum
enthoben und besonders in Rom wird einem das
bewusst. Und vielleicht klappt es dann sogar mit dem
heiligen Kuss, einem Friedenskuss, dem altem
Symbol für Frieden und Gemeinschaft.
13 Die Gnade unseres Herrn Jesus Christus und die
Liebe Gottes und die Gemeinschaft des Heiligen
Geistes sei mit euch allen!
Das ist keine theologische Reflexion über die Trinität
und wie das jetzt genau funktioniert zwischen Vater,
Sohn und Heiligem Geist.
Da haben schlaue Menschen viel Schlaues dazu
geschrieben und die Aufgabe der Predigt ist es nicht,
das erschöpfend zu behandeln. Nein, dieser Vers,
dieser Segen, soll uns den umfassenden göttlichen
Beistand versichern. Umfassend, weil er das und den
in den Mittelpunkt stellt, von dem wir leben. Von
Gnade, Liebe und Gemeinschaft. Den dreieinen Gott.
Nach Weihnachten, Ostern und Pfingsten heute also
ein Fest, dass diesen Gott in Fülle feiert. Ein
Ideenfest. Denn die Lehre von der Trinität steht so
nicht in der Bibel, erwächst aber aus ihr, aus dem, was
wir lesen, wie uns Gott auf vielfältige Weise in der
Heiligen Schrift begegnet. Und auch wie uns der
dreifaltige Gott auf vielfältige Weise in unserem Leben
begegnet. Im trinitarischen Denken ist Gott ein
Beziehungswesen. Gott, der eine Geschichte hat und
macht. Es ist eine Liebesgeschichte, die von Gott
erzählt wird, ein Gott, der uns Leiden kann, ein Gott
als Geheimnis der Welt (E. Jüngel), das sich selbst
treu bleibt.
Also noch einmal konkret: Weil die Gnade unseres
Herrn Jesus Christus mit uns ist, kann ich als Mensch
in einen Freiraum treten, den Gott mir selbst
geschenkt hat.
Ich kann mich ihm in die Arme werfen und auf seine
Liebe, seine Annahme bauen, weil er am Kreuz sein
Wesen offenbart hat. Die Liebe des Vaters. Weil die
Liebe Gottes des Vaters uns gilt, können wir diese
Liebe weiterschenken. Als Gemeinde in unserem
Handeln und im alltäglichen Leben. Ob als Student,
Kantoreisängerin oder Rom-Experte.
So haben wir Gemeinschaft des Heiligen Geistes, die
uns in aller Verschiedenheit verbindet. Die uns spüren
lässt, wann wir wieder aufbrechen müssen und uns
begleitet. Der eine Gott, der sich durch die Geschichte
auf so viele Weisen hat erfahren lassen. Klingt für
manchen nach Friede – Freude – Eierkuchen. Aber
bedeutet doch so viel mehr. Und übrigens, um mit
Henning Schroer zu schließen: „Was habt ihr denn
gegen Friede – Freude – Eierkuchen. Das sind doch
schöne Sachen?“
Also darum erst recht: 13 Die Gnade unseres Herrn
Jesus Christus und die Liebe Gottes und die
Gemeinschaft des Heiligen Geistes sei mit euch allen!