Johannes 14

Jesus sagte zu seinen Jüngern:

Liebt ihr mich, so werdet ihr meine Gebote halten.

Und ich will den Vater bitten und er wird euch einen andern Tröster geben, dass er bei euch sei in Ewigkeit: den Geist der Wahrheit, den die Welt nicht empfangen kann, denn sie sieht ihn nicht und kennt ihn nicht. Ihr kennt ihn, denn er bleibt bei euch und wird in euch sein.

Ich will euch nicht als Waisen zurücklassen; ich komme zu euch. Es ist noch eine kleine Zeit, dann sieht die Welt mich nicht mehr. Ihr aber seht mich, denn ich lebe, und ihr sollt auch leben.

Wer mich liebt, der wird mein Wort halten; und mein Vater wird ihn lieben, und wir werden zu ihm kommen und Wohnung bei ihm nehmen. Wer aber mich nicht liebt, der hält meine Worte nicht. Und das Wort, das ihr hört, ist nicht mein Wort, sondern das des Vaters, der mich gesandt hat.

Das habe ich zu euch geredet, solange ich bei euch gewesen bin.

Aber der Tröster, der Heilige Geist, den mein Vater senden wird in meinem Namen, der wird euch alles lehren und euch an alles erinnern, was ich euch gesagt habe.

Frieden lasse ich euch, meinen Frieden gebe ich euch. Nicht gebe ich euch, wie die Welt gibt. Euer Herz erschrecke nicht und fürchte sich nicht.

 

Liebe Festgemeinde, liebe Ada, lieber Ruben!

Wir haben heute im Evangelium, also den Worten Jesu an seine Jünger, viele wichtige Worte gehört. Der Text war kompliziert. Ich weiß nicht, ob Sie und ihr euch noch gut erinnert.

Jesus spricht von Gottes Wort, von Liebe, von Wahrheit und von Frieden.

Das sind alles schöne Worte; und das sind alles Worte, die man in der Kirche auch irgendwie erwartet.

Das sind aber auch Dinge, die wir euch Konfirmanden von Herzen für euer Leben wünschen.

Dass ihr nur Frieden erleben werdet in eurer Zukunft um euch herum. Dass ihr Liebe erfahren werdet von Menschen, die euch wichtig sind.

Dass die Wahrheit eine gerade Linie in eurem Leben bildet und ihr nicht auf sonderbare Abwege geratet.

Ihr werdet heute noch viele gute Wünsche für euer Leben erhalten, weit über den Gottesdienst hinaus. Ihr werdet sie hören von euren Gästen oder in schönen Glückwunschkarten lesen:

Wichtige Worte, liebe Worte, gute Worte.

Ihr könnt euch sicher sein, dass es nicht nur heute, aber ganz besonders heute, viele Menschen gut mit euch meinen.

Wir alle wollen euch durch unsere Gesten, Wünsche und Karten alles Gute mitgeben, das wir kennen:

„Alles Gute!“

Wir hören und lesen das so oft: „Alles Gute!“. Ich bin mir sicher, das stimmt heute auch.

Aber mir ist das auch immer etwas zu allgemein und zu abgedroschen:

Alles Gute – diese Formulierung schließt nicht nur „alles Schlechte“ aus, sondern leider auch eine genaue Bestimmung dessen, was eigentlich gut ist.

Da fehlt auch die Differenzierung, was eigentlich dem Guten dient und was nicht.

Alles Gute, das ist – und das wissen alle Eltern aus der Erziehung – ist nicht einfach alles, was ein Kind will.

Alles Gute, das ist nicht einfach alles Geben, alles durchgehen Lassen, alles Schenken. Alles Gute: Das heißt manchmal auch „Nein“ sagen, zum Schutz.

Das heißt manchmal auch Widerstand leisten gegen einen geliebten Menschen, um ihn zu korrigieren. Je älter wir werden, desto wichtiger wird das.

„Alles Gute“: Das reicht als Wunsch nicht. Es muss schon genauer definiert werden, was dieses Gute ist, und wie man es im Leben ergreift.

„Alles Gute“: Das lässt offen, von wem her wir alles Gute empfangen.

„Alles Gute“: Das lässt offen, was gut ist, wenn Menschen – auch wir selber – uns manchmal gar nicht gut, sondern ausgesprochen böse verhalten.

 

Seht ihr, das ist das Schöne am Christ-Sein, und das ist das Besondere an einer Konfirmation:

Wir wünschen Ada und Ruben heute nicht nur einfach „alles Gute“, sondern wir orientieren uns an Gott, der für uns der Maßstab für alles Gute ist, und wir befehlen sie in die ewigen Hände dessen, der wahrhaft und durch und durch gut ist: Jesus Christus.

 

Unbestimmte Wünsche wie „alles Gute“ sind das eine.

Zu viele und zu komplizierte Wünsche sind das andere.

Während die Welt um uns herum oft zu wenig Worte macht, macht die Kirche oft zu viele Worte – und zu schwierige Worte.

Und ich sage es ehrlich: Auch Jesus mutet uns heute in seinen Worten aus dem Johannesevangelium eine ganze Reihe komplizierter Worte zu.

 

„Liebt ihr mich, so werdet ihr meine Gebote halten.“

„Der Tröster, der Heilige Geist, den mein Vater senden wird in meinem Namen, der wird euch alles lehren und euch an alles erinnern, was ich euch gesagt habe.“

„Frieden lasse ich euch, meinen Frieden gebe ich euch.“

Und damit habe ich nur einen kleinen Teil von Jesu Worten wiederholt.

Soll auf uns heute am Pfingstfest möglichst viel biblische Lehre ausgeschüttet werden, wenn wir schon einmal in der Kirche sind?

Soll auf euch Konfirmanden heute noch einmal möglichst alles von dem, was ihr im vergangenen Jahr gehört und gelernt habt, niedergehen?

 

Nein! Jesus ist kein Freund der vielen Worte, sondern ein Freund der richtigen Worte. Das haben wir im Blick auf das Beten gelernt: „Plappert nicht wie die Heiden, die viele Worte machen, denn sie meinen, sie werden erhört, weil sie viele Worte machen. Euer Vater weiß doch, worum ihr bittet, bevor ihr ihn bittet (Mt 6,7).“

 

Es geht nicht um die Menge der Worte, weder beim Beten, noch beim Wünschen, noch beim Glauben. Es geht um den richtigen Zusammenhang!

Das soll uns auch durch Pfingsten klar werden.

Wenn jemand mit tausend blumigen Worten zu Gott betet, sich aber sonst nie um ihn schert, wird dieses Gebet wenig ausrichten.

Wenn euch zu eurer Konfirmation heute jemand eine Karte mit tausend Worten würde, den ihr gar nicht kennt oder den ihr schlecht findet: Diese Worte würden bei euch ganz wenig auslösen.

Bei jemandem, den ihr gut kennt und schätzt, werden sehr wenige Worte sehr viel bedeuten.

Es kommt auf den Zusammenhang an.

Und den erklärt uns Jesus heute nochmals.

Liebe, Gebote, Wahrheit, Vater, ewiges Leben: Das ist keine lange Liste frommer Begriffe, die wir einzeln abhaken müssen, sondern das ist für Jesus ein einziger Zusammenhang.

Als Christ muss man nicht ganze Listen von Geboten und religiösem Wissen einzeln lernen und ausüben. Nein, als Christ muss man nur in einem einzigen Zusammenhang stehen, in dem sich dann alles ergibt:

Wenn du Jesus kennst, dann weißt du, dass der Vater im Himmel, der unsichtbare Schöpfer aller Dinge und auch unseres Lebens, es gut mit dir meint.

Wenn du Gott liebst, wenn er dir wichtig ist, dann hältst du seine Gebote.

Und wenn du seine Gebote hältst, dann bist du nicht nur auf einem guten Weg, sondern auf dem einen richtigen Weg, der die Wahrheit ist und der direkt in das ewige Leben führt, weil er der Weg Gottes ist.

Jesus kennen, Gott lieben, sich selbst und die anderen Geschöpfe ehren, die Wahrheit des eigenen Lebens und des ganzen Universums begreifen: Das ist alles ein einziger Zusammenhang!

Ich sage es noch einmal: Christlicher Glaube ist keine lange Liste von Regeln, Pflichten und Wissen, sondern eine einzige Beziehung, die durch das ganze Leben hindurch trägt und darüber hinaus.

Christlicher Glaube ist eine Beziehung zu Jesus, der die Tür zu seinem Vater im Himmel weit für uns aufgemacht hat.

Als Konfirmanden solltet ihr nicht nur lernen und wissen – obwohl ihr das im zurückliegenden Jahr wunderbar gemacht habt – sondern als Konfirmanden sollt ihr ganz bewusst in diese Beziehung zu Gott einsteigen und Ja zu ihm sagen.

Darum sind wir heute hier zusammen.

 

Und der Heilige Geist, den wir heute an Pfingsten feiern, der ist nicht ein weiteres, schwieriges Thema der christlichen Religion, das wir heute oder auch sonst mühsam lernen und begreifen müssten; der Heilige Geist ist die Kraft, die uns diesen ganzen Zusammenhang spüren lässt. Der Heilige Geist ist das Band, das uns mit Jesus und dem Vater zusammenhält – auch wenn wir alle drei nicht sehen können und Jesus historisch schon einige Zeit von uns entfernt ist.

 

Pfingsten ist kein Tag, an dem wir etwas lernen oder einstudieren sollen. Pfingsten ist ein Tag, an dem uns etwas von selbst klarwerden soll – so wie die Jünger an jedem ersten Pfingstfest wunderbar von einer Kraft vom Himmel erfüllt wurden, ohne dass sie etwas dafür getan hätten.

Pfingsten ist der Moment, in dem ich spüre, dass ich mit der Freundschaft zu Jesus auf der richtigen Seite stehe.

Und damit ist alles gesagt.

 

Eine Eigenschaft dieses Heiligen Geistes will ich aber zum Schluss doch noch erklären; und wenn wir die alle heute begreifen, mitnehmen, lernen, dann schränke ich meine vorige Aussage gerne ein.

Jesus sagt: Mein Vater wird den Tröster, den Heilige Geist, in meinem Namen senden.

Wo hier „Tröster“ steht, da steht im Originaltext – und ihr Konfirmanden wisst, der ist im Neuen Testament griechisch – da steht im Orignaltext „Paraklet“, lateinisch „Ad-vocatus“, italienisch „avvocato“, deutsch „der Dazu-Gerufene“.

Ein „Avvocato“ ist jemand, den man in einem rechtlichen Problemfall dazuruft, um Hilfe zu bekommen.

Der Heilige Geist ist einer, den wir dazu-rufen können.

 

Wen rufen wir zur Hilfe, wenn es eng wird? Nach wem schreien wir, wenn es schwierig wird? Nach dem Staat?

 

Liebe Konfirmanden, ihr habt als Kinder wahrscheinlich in vielen Situationen ganz natürlich nach euren Eltern gerufen, als es eng wurde. Und sie sind gekommen.

Ich bin mir sicher, sie werden sich auch weiterhin von euch rufen lassen. Nicht mehr unbedingt, wie früher zu einem Baby, das nachts schreit, aber eben doch als Ratgeber und Ansprechpartner.

Ihr werdet, wenn ihr erwachsen werdet, noch ganz andere, verschiedene Leute dazurufen, wenn ihr Hilfe braucht: Freunde, Partner, Kollegen.

Und ich hoffe und wünsche euch, ihr werdet immer genug Menschen um euch haben, die euch in schweren Zeiten zur Seite stehen.

Einen „Avvocato“, einen „Dazu-Gerufenen“, hat euch Jesus heute vorgestellt: Den Heiligen Geist: Gott, der sich in jeder Situation an unsere Seite rufen lässt und uns zur Seite steht.

 

In wie vielen Situationen brauchen wir nicht alles einen „Avvocato“? Und damit meine ich nicht nur einen Rechts-Beistand!

Wer hält meine Hand, wenn keiner mehr da ist, der mich gut findet, oder tröstet oder zu mir hält?

Wer kommt dann noch zu mir, wenn meine eigene Stimmung ganz im Keller ist?

Jesus nennt den Heiligen Geist „Avvocato“.

Gott lässt sich in jedem Moment dazu-rufen.

Er ist immer nur ein Gebet weit entfernt.

Amen.

Pfingsten – Pfr. Dr. Jonas